Wie verändert sich der Journalismus? Welche Möglichkeiten bieten technische Konvergenzen? Was sind die Auswirkungen auf Arbeitsformen und Arbeitsbedingungen? Was bringt die Zukunft?

Montag, 22. Juni 2009

Robert Misik

von Katrine Hütterer, Izabella Haas-Zaliwska und Reiner Kapeller

Der Journalist und Schriftsteller Robert Misik begann seine journalistische Laufbahn bei der Arbeiter Zeitung. Später war er bei profil und Format tätig. Seit 2002 arbeitet er als freier Journalist, seit Jänner 2008 produziert er „FS Misik“ auf derStandard.at (http://derstandard.at/fs/r6114/FSMisik). Der Selbstvermarkter schreibt Artikel, Kritiken, Bücher und Essays und stellt vieles davon auch auf seine Webseite http://www.misik.at. Im März 2009 erhielt Misik den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik.

Interview

(PuKW) Wie kam es zur Idee von misik.tv und warum die Darstellungsform Video?

(Misik) Der 94- jährige Onkel meiner Frau hat uns einmal eine Videokamera geschenkt. Nachdem ich also so ein Gerät besaß, wollte ich es auch beherrschen. Wie schneidet man, wie lädt man auf Youtube hoch? Das wollte ich einfach wissen. Ein halbes Jahr später rief mich der Standard an. Sie wollten, dass ich auf irgendeine Weise für sie blogge, aber das war sehr inkonkret. Na, dann machen wir doch gleich Video, sagte ich. Das ist doch das avancierteste Medium. Es gibt tausende geschriebene Blogs, mit einem Video-Blog befand ich mich in Österreich aber allein auf weiter Flur. So hat alles begonnen.

(PuKW) Hat jemand vom Standard dabei auch mitgeholfen?

(Misik) Nein, es gab da ja auch praktisch keine Erfahrung. Ich habe einen Monat lang amerikanische Videoblogger beobachtet und mir angesehen: Welche Schnittfolgen machen die, damit das ganze Drive und Dynamik hat? Ich habe dann zwei, drei Probesendungen gemacht und dann haben wir eigentlich schon damit begonnen. Es war mir auch wichtig, dass das so organisiert ist, dass ich das einigermaßen alleine machen kann. Braucht man einen Stab, wird das dann schon wieder sehr aufwändig. Auch Regelmäßigkeit ist von großer Bedeutung für einen Video-Blog. Aus diesen und anderen Gründen wollte ich stets unabhängig bleiben und nicht auf die Hilfe von Anderen angewiesen sein.

(PuKW) Hat Ihnen Ihre Bekanntheit durch Ihre Aktivitäten im Printbereich geholfen, online Fuß zu fassen? Oder hilft Ihnen Ihre Online – Präsenz weiter, um Jobs im Printbereich zu bekommen?

(Misik) Mit Sicherheit half es mir, dass ich als Printjournalist eine gewisse Bekanntheit habe. Der Standard hätte mich ja wohl gar nicht erst gefragt, wenn ich nicht seit zwanzig Jahren im Printbereich tätig gewesen wäre.

(PuKW) Wie ist es eigentlich mit der Themenwahl zum Beispiel für die Videos?
Ist das vorgegeben oder passiert das selbst?

(Misik) Das passiert. Ich denke mir die Themen so gegen Ende der Woche aus und dann produziere ich das. That’s it. Da ich das alles von daheim produziere und hochlade, gibt es ja auch keine physisch enge Kooperation mit den Kollegen bei derStandard.at. Wir telefonieren vielleicht mal, treffen uns vielleicht einmal im halben Jahr, mehr nicht. Denn überlegen wir, was wir noch besser machen können, ob wir das technische Equippement aufrüsten sollen.

(PuKW) Was halten Sie persönlich von bloggenden und twitternden Journalisten-
Kollegen? Müssen oder sollen etablierte JournalistInnen bloggen oder twittern?

(Misik) Müssen sie nicht. Jeder journalistische Job hat Eigenheiten. Als Außenpolitik-Redakteur einer x-beliebigen Tageszeitung gibt es keine Notwendigkeit zu bloggen oder zu twittern. Bei einem Kolumnisten sieht das schon anders aus. Für den freien Autor gestaltet sich die Situation wieder anders. Für ihn ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und wahrgenommen zu werden, ansonsten gerät er sehr schnell in Vergessenheit. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht ganz, welchen Nutzen Twitter oder Facebook wirklich mit sich bringen. Ich benütze es, aber es ist schwer messbar, was das bringt.

(PuKW) Sie kritisieren die Arbeitsverhältnisse von freien Journalisten, blühen aber
selber unter diesen Bedingungen auf…?

(Misik) Die ersten zehn, zwölf Jahre meines Journalistenlebens verbrachte ich als angestellter Redakteur. Damit war ich materiell einigermaßen gut gestellt und konnte meine Arbeit auch oft so machen, wie ich mir das vorgestellt habe – oft war ich natürlich auch den Zwängen unterworfen, die in Redaktionen so herrschen. Aber es war in dieser Lebensphase sicherlich ein großer Vorteil für mich. Die Jugendlichen von heute haben solche Chancen leider nicht mehr, eine Anstellung erhalten sie nur sehr selten. Die Veränderung zu früher ist natürlich immens und die Tätigkeit für einen einzigen Arbeitgeber verbreitert diesen ohnehin schon engen Korridor, in dem sich die Jungen bewegen, auch nicht wirklich.

(PuKW) Wenn Sie jetzt noch einmal in dem Alter wären, wie würden Sie dann
vorgehen?

(Misik) Ich würde mit aller Kraft versuchen, an einem qualitativ guten Platz unterzukommen. Ich würde sicher nicht versuchen, von Anfang an als „freier Publizist“ zu arbeiten. Ich würde versuchen, Storys zu machen, die auch wahrgenommen werden. Erst ab einen bestimmten Grad an Renomée kann man als freier Autor einigermaßen überleben.

(PuKW) Sehen Sie sich als „Marke Misik“?

(Misik) Bis zu einem gewissen Grad, ja. Es geht nicht anders, wobei die Marke der Person nur ein Aspekt ist. Für die Videos gilt, sie funktionieren nur über extreme Subjektivität. Video ist ein sehr subjektives Medium und hängt stark von der gestaltenden Person ab, durch sie wird es identifiziert. Andererseits heißt Markenorientierung, dass man ein klares, identifizierbares Image aufbaut und dem stets zu entsprechen versucht. Es ist mir aber auch wichtig, sehr verschiedene Dinge zu machen, auch verschiedene Genres. Insofern gibt es die „Marke Misik“ in diesem engen Sinn wiederum auch nicht. Hoffentlich!

(PuKW) Welche Bedeutung haben Stilmittel wie „Befindlichkeit erzeugen“ oder Ihr
ironischer Unterton für Ihren Erfolg?

(Misik) Mit Befindlichkeiten kann ich relativ wenig anfangen, ich verwende generell kaum Emotionen. Auf jeden Fall ist ein Video einfacher konzipiert als normaler Text, viertausend geschriebene Zeichen entsprechen gut fünf Minuten Video. Zudem benötig das Medium eine stärkere Rhythmik als Text, alleine um Langeweile zu vermeiden. So etwas würde in einem geschriebenen Text gar nicht erst funktionieren. Ironie findet sich auch in den Texten, häufiger jedoch als wichtiges Element in meinen Videos.

(PuKW) Sie wurden schon mit Michael Moore verglichen- können Sie diesem
Vergleich etwas abgewinnen?

(Misik) Falls der Eindruck entsteht, dass meine Videos witziger sind als meine Essays, dann kann man sagen, sie hätten etwas „moorehaftes“. Nur bin ich der Meinung, dass Michel Moore über große Strecken seiner Arbeit, dem Populismus sehr nahe kommt und die Grenze auch überschreitet. So etwas versuche ich schon zu vermeiden. In seiner überspitzten Form ist ein gewisser Grad an Populismus jedoch auch wieder witzig…

(PuKW) Ist das aber noch notwendig?

(Misik) Ich weiß nicht, ob es notwendig ist. Ich probiere es manchmal aus, aber nicht in einer so obsessiven Art und Weise wie Michael Moore. Ich mache die Dinge mal so, mal so. Wenn ich dreimal ein polemisches Politik-Video gemacht habe, dann ist es, finde ich, Zeit mal wieder was eher Elegisches oder Feuilletonistisches über Kultur zu machen.

(PuKW) Verdienen Sie Geld mit Ihrem Blog?

(Misik) Mit meiner Webseite?

(PuKW) Ja. Also Ihre Präsenz aus dem Standard würden wir schon dazu zählen.

(Misik) Für meine Videoblogs auf derStandard.at erhalte ich ein Honorar wie jeder andere Kolumnist der schreibt. Mit meiner Webseite www.misik.at verdiene ich gar nichts. Ich bin kein guter Geschäftsmann, und wüsste auch nicht, wie ich ein lukratives Modell für meine Webseite gestalten sollte.

(PuKW) Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

(Misik) Habe ich Erfolg? Wenn das Erfolg ist, dann ist wahrscheinlich sein Geheimnis, dass ich mich nie mit durchschnittlichem Journalismus zufriedengegeben habe. Man kann ein Leben lang immer die gleiche Art von Story schreiben und damit Karriere machen. Aber ich wollte immer auch besser werden und immer auch etwas Neues machen. Das war die Motivation, die mich vielleicht weiter gebracht hat. Neugier und Lust, was Neues zu machen. Das merke ich bis jetzt.

(PuKW) Danke schön.

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